Tagesspiegel, Berlin, 23 Oktober 2003

Grün glüht das Kaninchen
Der Mutationskünstler Eduardo Kac verwirrt die Wissensgesellschaft

Bodo Mrozek

Streng getrennt sind die Sphären von Geisteswissenschaft, Kunstkritik und Biologie. Verlockend muss da der Wunsch erscheinen, einmal in einer Person zu vereinen, was sonst die Disziplinen streng geteilt. Eduardo Kac ist so ein Mann. Die Arbeit des Künstlers, den die junge Schering-Stiftung in die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften lud, ist gelinde gesagt erstaunlich. Der Brasilianer präsentierte sein „Genesis-Projekt“: Er will den Text der Genesis in ein Morsealphabet übertragen und dieses wiederum in einen genetischen Code übersetzt haben. Daraus ließ er im Labor genetisches Material herstellen, sagt er – Genesis-Material sozusagen. Nach einer streng bemessenen Zeit des Zellwachstums übersetzte Kac das Material wieder Schritt für Schritt zurück in den Urtext der Menschwerdung. Verändert hatte sich das Wort „Mann“.

Noch bevor die Wissensgesellschaft im Auditorium die Erhabenheit dieses esoterischen Geschehens begreifen konnte, jagte Kac schon durch sein nächstes Projekt, die Erschaffung „transgener Tiere“. Mittels einer Gen-Manipulation ließ der Künstler „Alba“ erschaffen, ein grün fluoreszierendes Kaninchen. Teil seines Werkes, das stets auch die Dokumentation des gesamten Schaffensprozesses und die medialen Reaktionen darauf mit einschließt, ist die von ihm selbst ins Leben gerufene Kampagne „Free Alba“ – Freiheit für das grüne Labor-Kaninchen.

Man staunte. Doch Kac ist weder ein Mabuse noch ein Komiker. Sein Werk ist Schöpfungsprozess und Wissenschaftskritik in einem und dabei stets auch Parodie auf die Gendebatte, die Wissenschaft und sich selbst. Es will Grenzen ausloten: Darf der Künstler ebenso wie der Gentechniker Lebewesen verändern? Und wo sind die Grenzen? Dies wären die interessanten Fragen, die Kac aufwirft.

Auf ein derart quer in alle Diskurse hineinragendes Werk angemessen zu reagieren, war dem Podium nicht gegeben. Die Wissenschaftler quälten sich im ästhetischen Detail, zudem irritiert durch einen überforderten Moderator. Erst später, als man aus dem Leibniz-Saal hinaus trat in die dunkle Nacht, siegte die emotionale Kraft der Kunst über den gescheiterten Diskurs. Denn plötzlich erschien es einem wie ein trauriges Symbol, eingebrannt in die geistige Netzhaut, und man wurde sehr, sehr nachdenklich. Es war Alba, das einsame Kaninchen, das irgendwo in einem Labor gefangen ist und grünlich vor sich hinschimmert.


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