Der Spiegel, 20 Oktober 2003, p. 195.

Was ist Kunst am Leucht-Kaninchen?

Veronika Hackenbroch


*Ingeborg Reichle*, 32, Kunsthistorikerin an der Berliner
Humboldt-Universität, über die "transgene Kunst" des Amerikaners Eduardo
Kac, der an diesem Montag in Berlin die Vortragsreihe "Neue Wege zur
Wissenschaft" der Schering Stiftung eröffnet

SPIEGEL: Die Kunst von Eduardo Kac gibt sich streng wissenschaftlich.
Angeblich hat er das Kaninchen Alba durch Einschleusen eines
Fluoreszenz-Gens zum Leuchten gebracht - zumindest präsentierte er der
Öffentlichkeit das unter Schwarzlicht grün strahlende Tierbild. Kann so
etwas wirklich funktionieren?

Reichle: Das ist genau das, was Wissenschaftler mich immer als Erstes
fragen. In der Tat könnte es durchaus sein, dass es das berühmte
Skandal-Kaninchen Alba gar nicht wirklich gibt - zumindest nicht so, wie
wir es auf dem von Kac angefertigten Bild zu sehen bekommen. Forscher,
mit denen ich darüber gesprochen habe, haben mir zum Beispiel gesagt,
dass eigentlich nur die Haut und nicht das ganze Fell des Kaninchens
leuchten dürfte. Wie Alba wirklich aussieht und ob es das Tier überhaupt
gibt, werden wir wohl nie erfahren, denn es ist vom Genlabor nie
ausgeliefert worden. Ich als Kunsthistorikerin denke allerdings, dass es
überhaupt nicht entscheidend ist, ob Kacs Kreaturen alle wirklich
entstanden sind. Für mich ist Kacs künstlerisches Konzept wichtig: Was
will uns der Künstler damit sagen?

SPIEGEL: Sie haben über Kacs Kunst gerade Ihre Doktorarbeit geschrieben.
Wie lautet Ihre Antwort?

Reichle: Als Künstler will Kac die Gentechnik aus dem Labor in die
Öffentlichkeit und in unseren Alltag tragen. Ihn interessiert: Was
passiert, wenn wir das tatsächlich tun? Schon als er nur ankündigte, das
Gen-Kaninchen Alba mit nach Hause in seine Familie nehmen zu wollen, gab
es massive Proteste von Tierschützern. Diese Reaktionen sind das, was
seine Kunst ausmacht.

SPIEGEL: Kacs transgene Werke stammen aus den Jahren 1999 bis 2001.
Wirkt der naive Glaube an die schier unbegrenzten Möglichkeiten der
Genmanipulation nicht heute schon wieder antiquiert?

Reichle: Mich stört tatsächlich, wie unkritisch Kac Metaphern aus der
Gen-Hype-Zeit übernommen hat. Zum Beispiel nennt er das Erbgut
schwärmerisch das "Buch des Lebens". Dass das alles viel komplizierter
ist, zeigen uns die Epigenetiker, die davon ausgehen, dass die Gene nur
Marionetten sind in den Händen von Proteinen, die sie an-oder abschalten
können.


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