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REPORTAGEN 04.05

Transgenic Art: Wenn Kunst mit dem Leben spielt

Birgit Wittstock

Posphorisierende Kaninchen und Mäuse, bizarr wuchernde Pflanzen: kann Gentechnik auch Kunst sein? Über den Schöpfer der Transgenic Art, Eduardo Kac und seine Visionen.

Und er sah dass es gut war. Und so ruhte Gott am siebten Tag nachdem er sein Werk vollendet und Himmel, Erde und was auf ihr lebt erschaffen hatte.
Im Schutz der Dämmerung des achten Tages nahm jedoch der Mensch die Schöpfung selbst in die Hand um das Leben nach seinen eigenen Plänen zu formen: „The Eight Day“ nannte Eduardo Kac seine Installation.

In einem Plexiglasgehäuse stellte er eine bizarre Modellwelt zur Schau: Transgene, also genetisch manipulierte Amöben, Zebrafische, Mäuse und Tabakpflanzen, alle mit GFP-Genen versehen und via steuerbarer Webcams übers Internet zu bestaunen. Mit UV-Licht bestrahlt, leuchteten Kacs Kunstwerke in giftigem Grün. Das war 2001.

Mittlerweile spielt der brasilianische Künstler mit genetisch manipulierten Pflanzen Schach.
Für sein Projekt „Move 36“ hat Kac ein neues Gen kreiert. Mittels ASCII, dem standardisierten Computercode übersetzte er Descartes Ausspruch: „Cogito ergo sum“ (Ich denke, also bin ich) in die vier Basen, aus denen sich die DNA zusammensetzt. Das neue Gen, das sich aus diesen Basen bilden ließ, wurde in die DNA einer Pflanze implantiert. Diese wächst nun auf einem überdimensionalen Schachbrett um an den sechsunddreißigsten Zug im Spiel des Schachweltmeisters Gary Kasparov gegen den Computer „Deep Blue“ im Jahr 1997 zu erinnern. Der sechsunddreißigste Spielzug war entscheidend für den Sieg von „Deep Blue“. Dem Sieg des Computers über seinen menschlichen Gegner.

Die Geschichte der Transgenen Kunst

„Transgenic Art“ nennt sich die Kunstrichtung, die sich Mitte der Neunzigerjahre entwickelte. Die Keimzelle: Die Linzer Ars Electronica. Die Vision: Das Hinterfragen wissenschaftlicher Erkenntnisse. Das Sichtbarmachen versteckter gentechnischer Prozesse um dadurch den öffentlichen Diskurs über Gentechnologie anzuregen.

Eduardo Kac hat aber noch ganz andere Visionen. Die Schöpfung prächtiger Chimären und fantastischer neuer Lebensformen. „Interspezies-Kreationen“, wie er sie nennt. Etwa die Kombination pflanzlichen und tierischen, oder auch tierischen und menschlichen Genmaterials.
Besondere Aufmerksamkeit erlangte im Jahr 2000 Kacs Kunstwerk das „GFP Bunny“, ein weißes Kaninchen mit besonderen Eigenschaften: „Alba“, wie Kac das Kaninchen genannt hat wurde ebenfalls das „Green Fluroescent Protein“, welches aus der nordpazifischen Quallenart Aequorea Victoria gewonnen wird eingepflanzt. Mit dem Effekt, wie auch später bei den „The Eight Day“-Protagonisten, dass das Tier, wird es Schwarzlicht ausgesetzt grün leuchtet.
Als Eduardo Kac im Juni 2000 das fluoreszierende Kaninchen auf dem Medienkunstfestival „Avingnon numérique“ ausstellen will, verbietet das französische Forschungsinstitut für Landwirtschaft die Übergabe von Alba. Aus Sicherheitsgründen.

Kac ruft zu „Free Alba“ auf, was sich als medial sehr wirksam erweist und dem Projekt zu großer Popularität verhilft. Die Frage, ob Alba ihr Leben in einem Labor fristen, oder frei in Kacs Haus leben sollte, verdrängte das Problem der transgenen Züchtung aus dem öffentlichen Diskurs. Kac will Alba nur im Kontext der Präsentation als Kunstwerk verstanden sehen. Denn, wie Kac auf seiner Website schreibt sei Alba nur eine der Beteiligten in dem transgenen ”GFP-Bunny”-Kunstwerk; das sei außerdem jeder, der in Kontakt zu ihr tritt, und jeder, der dem Projekt in irgendeiner Weise Beachtung schenkt. Denn einzig die Öffentlichkeit, könne die Ausgangspunkte der Diskussion über Gefahren der Genforschung gegenüber dem wissenschaftlichen Expertendiskurs verändern.

Vom Sinn und Unsinn der Transgenic Art

Eduardo Kac bezweckt, mittels seiner transgenen Kunst neue Perspektiven zum Thema Gentechnik zu eröffnen. Denn der Einfluss der Gentechnik auf unser Leben wächst zusehends. Heimlich und im Stillen. Seit 1995 werden genetisch veränderte Sojabohnen, Kartoffeln, Mais-, Kürbis- und Baumwollpflanzen auf breiter Basis angebaut und konsumiert. In der Medizin ist die Gentechnik zum Teil bereits zu einem vertrauten Werkzeug geworden, teils ist sie noch Hoffnungsträger für die Zukunft. Selbst wenn es gelingen würde die Forschung im Bereich der Gentechnik zu stoppen, so werden dennoch das Gemüse und die Tiere, die wir essen, nie wieder dieselben sein. Durch die Aussaat von transgenen Pflanzen hat die Menschheit einen Schritt ins Ungewisse getan. Einen Schritt, der durch nichts wieder ungeschehen gemacht werden kann.
Betrachtet man die medizinischen Experimente mit genetisch manipulierten Schweinen, die menschliche Proteine erzeugen um als Spender für Organe ohne Abstoßungsreaktionen zu dienen, so wird deutlich, dass wir zukünftig ebenso fremdes Genmaterial in uns tragen werden, wie wir heute elektronische und mechanische Implantate tragen. Wir werden ebenso transgen werden wie Kacs Kaninchen.

Kac möchte anhand seiner Kunstwerke Bewusstsein und Respekt für transgene Lebewesen fördern, und, wie er schreibt: „ Als Schaffender transgener Kunst bin ich nicht daran interessiert, genetische Objekte entstehen zu lassen, sondern transgene soziale Subjekte zu erfinden.“
Kac sieht in der transgenen Kunst die Erweiterung der Biodiversität durch Genmanipulation, da sie, seiner Ansicht nach ein Mittel gegen das Artensterben ist. Ein weiterer wesentlicher Faktor der transgenen Kunst ist die Nutzlosigkeit der von ihm entwickelten Genmutationen, die die Normalität der transgenen Lebewesen verdeutlichen soll, und sie anstatt zu Labor- und Versuchstieren zu Haustieren werden lässt.

Der Künstler Kac träumt neuerdings von einem GFP-Hund, doch die Verwirklichung dieses Projekts kann noch Jahre dauern: das Hundegenom ist noch nicht entschlüsselt.

Kac erweckt in seinen Ausführungen den Anschein, als seien seine transgenen „Kunstwerke“ nur einen Steinwurf weit von bisherigen Züchtungen entfernt. Denn ist die Gentechnik nicht die logische Folge von Zucht, die nichts anderes ist, als indirekte genetische Kontrolle und Modifikation von Lebewesen? Überhaupt seitdem künstliche Befruchtung möglich ist.
Andererseits eröffnet die Gentechnik Möglichkeiten, die mittels Zucht niemals denkbar wären: etwa die Kreuzung aus Quallen und Säugetieren. Was wissen wir über etwaige Folgen? Nichts.

Wenn nun Kacs transgene Kunstwerke mit nach Hause genommen, im Garten eingepflanzt oder als treues Haustier aufgezogen werden – welchen Einfluss wird das auf die Umwelt haben? Wenn sich in Zukunft ein hipper GFP-Hund eines noch hipperen Kunstliebhabers unbemerkt mit einem Streuner von der Straße paart – was wird das für Konsequenzen haben? Wir wissen es nicht und Eduardo Kac scheint sich darüber seinen Kopf nicht zu zerbrechen. Die Muse hat ihn geküsst. Und er ist beinahe berauscht von den schöpferischen Möglichkeiten, die sich ihm bieten.
Denn seiner Phantasie scheinen künftig wenige Grenzen gesetzt. Die Kunst ist frei. So frei, dass sie das Leben zu einem ihrer Werkstoffe gemacht hat. Am achten Tag, an dem die Menschen das Leben neu erschaffen.


Birgit Wittstock

1977 in Wien geboren, studiere an der FH für Journalismus in Wien.


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