Grüne Hunde, Hexenmythen, Streit der Systeme
Bei der Ars Electronica wurde im Symposion über die Ästhetik der Genmanipulation diskutiert, aber auch über
"Strategien" gestritten.
VON THOMAS KRAMAR
Einen grün funkelnden Hund wolle er schaffen, erklärt der freundliche Herr am Podium des "Life Science"-Symposions. Ja,
einen lebenden Hund, mit einem Gen, das ihn fluoreszieren läßt. Nein, nicht zum Zweck der Forschung, sondern als
Kunstwerk. Schließlich hätten schon die alten Ägypter HUNDE aus ästhetischen Motiven gezüchtet - und was sei genetische
Manipulation anderes als Züchtung mit anderen Methoden?
Der freundliche Herr heißt Eduardo Kac und meint das ernst, nicht als Provokation. Seine kluge Arbeit "Genesis", mit grün
fluoreszierenden Bakterien, läuft schon im Linzer O. K. Centrum. Künstler müßten den Fortschritt der Gentechnik von innen
mitverfolgen, sagt er, nur so könnten sie als kritisches Korrektiv wirken. Ähnlich denkt sein Kollege George Gessert, der derzeit
Schwertlilien züchtet, (noch) mit konventionellen Methoden. Der Grund, warum tatsächliche Gen-Kunst (noch) so selten ist,
sei das Geld. Die Gen-Techniken seien (noch) zu teuer. Gessert spricht sich gegen die Idee einer "zweiten Natur" aus, doch
daß transgene Organismen immer mehr die "erste Natur" bevölkern, scheint für ihn außer Diskussion zu stehen.
Charles Mudede, Filmtheoretiker, erklärt diese Vernarrtheit der Künstler - zumindest in den USA - in die Gentechnik als
Obsession, die die "Cyborg"-Träume abgelöst habe. Maschinen-Männer á la "Terminator" seien in Hollywood durch Frauen
als Objekte von Gen-Experimenten abgelöst worden. Doch auch die schöpferischen Subjekte im Labor seien im Film meist
Frauen! Eine Rückkehr zur Biologie, zu den Geheimnissen der Fortpflanzung? Immerhin: "Cyborgs" & Co. sind auch bei der
Ars längst Auslaufmodelle.
Ähnliches liest die deutsche Medientheoretikerin Birgit Richard aus Populärkulturellem wie der Serie "South Park"- nur
interpretiert sie es anders: Schon in Filmen wie "Alien" werde der Schrecken der "autonomen weiblichen Reproduktion" als
neuer Hexenmythos gezeigt, dagegen stehe das Labor als "männlicher Uterus", als Versuch der Männer, die Frauen ersetzbar
zu machen.
Hollywood sei jedenfalls in diesen Themen konservativ: Im Film werde menschliche Schöpfer-Anmaßung stets bestraft. Das
muß dem amerikanischen Buchautor und Aktivisten Jeremy Rifkin recht erscheinen: Er stritt auch in Linz mit aller Macht
seiner rhythmisch perfekten Sätze gegen die Biotechnologie-Konzerne. Er sieht in der Erzeugung transgener Arten einen
qualitativen Sprung, der zu "gene wars" führen werde. "Wenn unsere Kinder programmierbar werden", sagt er, werden die
Angebote der Gen-Firmen "zum Shopping-Abenteuer werden"; das Mitleid werde versiegen, weil man Leiden nur mehr aus
Planungsfehlern erklären werde. Ganz Wanderprediger, appellierte er ein übers andere Mal an die "jungen Leute in diesem
Raum", gegen "genetic pollution" zu kämpfen.
Der zur Wortmeldung gedrängte Vertreter der das Festival sponsernden Firma Novartis hatte es da schwer. Immerhin, räumte
Rifkin ein, stelle sich dieser Konzern der Diskussion. Man fand sich halbherzig bei der Idee, zumindest in der Pflanzenzucht
genetische Analysen nur zur Unterstützung konventioneller Zuchtmethoden zu verwenden. Dieses Konzept dürfte wirklich
Zukunft haben, auch weil Verpflanzung von Genen nicht so einfach ist, wie sich das manche Künstler vorstellen.
Novartis setzt ganz offensichtlich auf Toleranz - "repressive Toleranz" sagen manche Kritiker. Bei einem Stand im
Brucknerhaus, der Novartis-Zitate aushängt, rätselt man lange, ob er von der Firma selbst betrieben wird oder von RTMark,
einer "subversiven" Gruppe, die schon letztes Jahr mit ihrer Mimikry von Firmenstrategien für Aufsehen gesorgt hat. Kühne
Unterstellung: Wann wird Novartis RTMark für PR-Zwecke freundlich übernehmen?
Der Grat zwischen "Unterwanderern" und den großen Konzernen scheint oft seicht, besonders im eigentlichen Bereich der
Ars Electronica, im Computergeschäft. Beispiel "Linux", heuer mit der Goldenen Nica für "Net-Kunst" prämiert: Manchen
Usern schien dieses vom archetypischen Jung-"Hacker" Linus Torwalds gebastelte offene Betriebssystem - mit einem frei
zugänglichen, variablen "Source code" - eine "subversive" Alternative zu den Angeboten der Konzerne zu sein.
Laborratten für Konzerne?
Nun wird gemunkelt, daß Microsoft, Siemens usw. mit Linux offiziell in Partnerschaft treten wollen. Das sei der Grund, warum
einer ihrer Kollegen so vehement auf eine Nica für Linux gedrängt habe, behaupten nun Mitglieder der "Net"-Jury. Und
auch, daß für die Ars Electronica 2000 angeblich schon das Thema "Open Source" feststehe, sei so zu erklären. "Wir
Künstler, Schreiber und Wissenschaftler werden als Laborratten und billige Alternativ-Forscher verwendet", heißt es in einer
schon leicht paranoid klingenden Aussendung.
Ähnliche Auseinandersetzungen könnte man auch zwischen den Jurys orten. Während in der Kategorie Musik die radikalen,
verstörenden Werke von Richard James ("Aphex Twin") und dem Wiener Mego-Label prämiert wurden, entschied sich die
"Computeranimation"-Jury für ein harmlos-liebliches "Bunny"-Filmchen aus den Blue Sky Studios. Im "Visual Effects"-Bereich
gewann eine seltsam überfärbte Paradiesvision amerikanischer Gruppen, in der "interaktiven Kunst" eine Installation Lynn
Hershmans, bei der Besucher via Schnappschuß im "Fegefeuer" einer Kartei landen. Durch triste Vorstadt-Ästhetik á la David
Lynch und trotzigen Charme fasziniert die in der "Unter 19"-Kategorie siegreiche Gruppe "conspirat".
Pluralismus also in Linz. Keine Entscheidungen für oder gegen "die Industrie", für oder gegen "den Untergrund". Was nach
feigem Kompromiß klingen mag, ist die einzig mögliche und realistische Haltung für ein Festival wie die Ars Electronica.
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