Originally published in Matrix - Computer und Neue Medien, ORF-Radio Österreich, 14.09.1999. http://kultur.orf.at/matrix/bkframe/990912_1.htm


Chipimplantate ­ Dr. Jeckyll and Mr. Hyde

(von Mariann Unterluggauer)

Eduardo Kac implementierte sich 1997 einen Microchip, der normalerweisezur Identifizierung von Haustieren verwendet wird. Und er ließ sichin deren Datenbank registrieren. Eduardo Kacs Namen findet man heute alsoneben denen von Hund und Katz. Der einzige Unterschied: Er ist auch alsBesitzer eingetragen. Sein Projekt Time Capsule wurde in einer Galeriein Sao Paulo realisiert. Und wie es sich gehört, wurde das ganze Spektakelvia Fernsehen und Internet übertragen.

Laut Eduardo Kac war TimeCapsule ein Projekt für dessen Realisierung oder Sinnfindung erbisher die längste Zeit benötigte. Auf der einen Seite wollteer damit , so steht´s in der Projektbeschreibung, gegen die Limitierungdes zweidimensionalen Computerbildschirms protestieren. Auf der anderenSeite erinnert ihn die Registrierungsnummer des Microchips an seine Grossmutter,die in den 30er Jahren vor den Nazis flüchten musste

Eduardo Kac: "Jeder, der längere Zeit vor einem Computerbildschirmsitzt weiß, dass das Arbeiten am Computer zu einer unnatürlicheHaltung führt. Wenn man die Menschen beobachtet, bekommt man das Gefühl,dass sie zunehmend selbst - wie ihr Computer - zu einer Box schrumpfen.Wenn ich den Computer gewissermaßen mit mir herumtragen kann, undeine komfortablere Körperhaltung einnehmen kann, könnte das möglicherweisevorteilhaft sein."

Dafür gibt es auch andere Möglichkeiten. Man muss sich nichtgleich einen Chip einverleiben. Die Idee von Ubiquitous Computing, Computerimmer kleiner und unscheinbarer werden zu lassen, ist auch nicht besondersoriginell, denn die wurde bereits 1989 formuliert. Ob das Project TimeCapsule unbedingt als Kunst verstanden werden muss, bleibt jedem selbstüberlassen. Kunst, so definiert es zumindest Eduardo Kac, sei es auch,etwas in einem neuen Kontext zu stellen, Beziehungen neu zu ordnen.

Wissenschaftler beschäftigen sich seit längerem mit den Möglichkeitenvon Chip-Implantaten. Oft geht es dabei um Überwachungsmethoden undProjekte, die vom Militär finanziert werden. Das erste Patentfür programmierbare Chip-Implantate wurde in den Vereinigten Staaten1995 eingetragen. Als Erfinder werden Andrew Singer und Sean White vonder Firma Interval Research Corporation in Palo Alto angeführt. 1998wurde das United States Patent für ein Chipimplantat erteilt, dasnach Bedarf Patienten mit den notwendigen Chemikalien versorgt. Und inEngland beginnt Kevin Warwick gerade mit den Vorbereitungen für einneues Projekt.

Kevin Warwick: "Wir sind nicht so sehr an der medizinische Seiteder Dinge interessiert. Der nächste Schritt ist für uns den Chipdirekt mit dem Nervensystem zu verbinden, indem wir ihn in der Mitte meinesArmes implantieren und dort mit den Nervensträngen verbinden. Wirhoffen, dass wir in 18 Monaten das Experiment starten können, undSignale von den Nerven meiner Hand an den Computer senden können undvice versa. Vom Computer in mein Nervensystem, und damit auch in mein Gehirn.Das ist wirklich ein großer Schritt. Technisch gesehen allerdingsnicht."

Kevin Warwick vom Institut für Kybernetik an der Universityof Reading in England, hat bereits eine Narbe vorzuweisen, die voneinem Experiment mit einem Chipimplantat stammt. Letztes Jahr lies er sicheinen Siliziumchip-Transponder einpflanzen, mit dem er Türen öffnenkonnte, Licht ein- und ausschalten oder den Computer startete. Aber erkonnte damit auch von Dritten überall in dem Gebäude ausfindiggemacht werden. Der 23 mal 3 Millimeter große Transponder bestandaus einer Glaskapsel, einem elektromagnetischen Kern und verschiedenenSiliziumchips. Das Signal wurde in Form von Radiowellen an den Transpondergeschickt, in elektrischen Strom umgewandelt und als 64-bit Signal an Empfangsgerätegesendet, die in dem Gebäude installiert waren.

Kevin Warwick: "Nach 2 Tagen hatte ich das Implantat in mirakzeptiert, es war ein Teil von mir aber es kommunizierte mit dem Computer.Mental war es fuer mich als ob ich selbst, aus dem Innernen meines Körpers,mit dem Computer kommunizierte. Und nach ein paar Tagen fühlte ichwirklich so, als ob ich mit dem Computer verbunden wäre. Dieses Gefühlvermisse ich heute noch. Also, körperlich gab es keine Probleme, abermental hat es einiges verändert."

Nach 14 Tagen wurde das Implantat wieder entfernt. Aus Sicherheitsgründenarbeitete Kevin Warwick zwar mit anderen Wissenschaftlern zusammen, diesich mit dem Einsatz von Chipimplantaten aus medizinischen Gründenauseinandersetzten. Sein eigenes Interesse liegt aber nicht so sehr darin,dem Menschen mit Hilfe eines Implantats Fähigkeiten zurückzugeben,die sie zum Beispiel durch eine Krankheit oder Unfall verloren haben. Warwickhofft damit vielmehr die Beschränkungen des menschlichen Körperszu überwinden. Wie die Ergebnisse letztendlich verwertet werden interessiertihn dabei wenig.

Kevin Warwick: "Für mich ist es wirklich aufregend. Undich will es einfach herausfinden, egal ob es dazu führt das irgendwannjeder ein Implantat haben muss, es eine Ausnahme bleibt oder überhauptnicht verwendet wird. Vor dem nächsten Implantat, das mit dem Nervensystemverbunden werden wird, habe ich Angst, aber auf der anderen Seite ist esauch aufregend. Es bedeutet auch eine enorme Vorreiterrolle einzunehmen.Ich möchte es wirklich machen. Aber wir haben keine Ahnung was dabeipassieren wird."


dienstag, 14.09.1999, erstellt von matrix


Back to Kac Web