Published in < http://www.medienturm.at/mt/stories/storyReader$2508>, 2004.
move 36
Es mag innerhalb der temporären Scherpunktsetzung zu 'transfer/ence' vorerst abwegig erscheinen, die medienkünstlerische Überarbeitung eines legendären Schachspiels zwischen Gary Kasparov und dem Schachcomputer 'Deep Blue' einzubringen, doch bietet diese Arbeit aufgrund ihrer Vielschichtigkeit diesbezüglich interessante Varianten.
'Deep Blue' setzte bei Zug 36 derart unrechnerisch, dass weder Kasparov noch die Kommentatoren einer Maschine derart weitblickendes Verhalten zutrauen konnten. Eduardo Kac überträgt diese Situation in einen völlig neuen Kontext, indem er anstelle der Schachfigur von Zug 36 eine gentechnisch veränderte Pflanze auf dem Brett wachsen lässt. Der Pflanze wurde das 52-basige Gen 'CAATCATTCACTCAGCCCCACATTCACCCCAGCACTCATTCCATCCCCCATC ' eingearbeitet, eine Anspielung auf Descartes berühmten Ausspruch 'cogito ergo sum', den dieses Gen in ASCII-Form wiedergeben soll.
Es handelt sich hierbei also um eine Übertragung in mehrfachen Sinne: einerseits wurde im Vorfeld menschliche Kombinatorik in eine Rechenmaschine transferiert, andererseits wurde von diesem Rechner dieses 'Wissen' in einer unerwarteten Weise umgesetzt. Inwieweit die technologische Übertragung einerseits dieser Skills, andererseits ganzer Gene Einfluss auf Verhalten und Phänomen hat, soll dieses Kunstwerk in ironischer Weise hinterfragen.
Unterstützt wird das Setting von grossformatigen Video-Projektionen, die Schachbrett wie Gen wie Pflanze und Rechner in unterschiedlichsten Varianten wiedergeben: ebenfalls ein medialer Transfer, der den inhaltlichen Kreis dieser Arbeit ästhetisch zu schliessen vermag. (Gunther Reisinger)
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